Zum Hauptinhalt
18
Okt
2006

Kriminologen fordern gesicherte Daten für eine rationale Kriminalitätspolitik

Einladung zum Workshop: "Datenprobleme in den Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken" des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD) am 27.10. 2006 in Berlin

Was bringt ein sozialer Trainingskurs für straffällig gewordene Jugendliche, welchen Erfolg haben Therapien bei Sexualstraftätern? Wer wird rückfällig, wer nicht und warum? Scheinbar einfache Fragen, die aber auf Basis der in Deutschland vorhandenen Statistiken zu Kriminalität und Strafrecht nicht beantwortet werden können. Das ist „Kriminalitätspolitik im Blindflug“ kritisiert einer der führenden deutschen Kriminologen, Professor Wolfgang Heinz aus Konstanz. „Ohne gesichertes Wissen lässt sich alles irgendwie behaupten, begründen und rechtfertigen, nur eines ist nicht möglich: eine rationale Kriminalitätspolitik“, so Heinz weiter.

Professor Heinz ist Referent beim Workshop zum Thema „Datenprobleme in den Kriminal- und Strafrechtspflegestatistiken“, den der RatSWD am 27.10.2006 im Bundesministerium der Justiz in Berlin veranstaltet. Führende Kriminologen stellen die gravierendsten Datenprobleme und ihre Konsequenzen vor und diskutieren Lösungsvorschläge mit Vertretern der statistischen Ämter und der Bundesregierung.

Die fehlende „Rückfallstatistik“ ist nicht das einzige Datenproblem der deutsche Kriminalstatistik. Die Liste ist lang: Rund 16 Jahre nach der Wiedervereinigung gibt es für die neuen Bundesländer noch immer keine Strafverfolgungsstatistik. Zudem werden Straftaten nicht bundeseinheitlich erfasst, was Vergleiche schwierig macht. Grundsätzlich kritisieren die Kriminologen die mangelnde Verknüpfung von polizeilicher Kriminalstatistik mit der Strafverfolgungsstatistik der Justiz. Als besonders problematisch gilt das Fehlen einer sogenannten „Dunkelfeldforschung“. Denn grundsätzlich werden nur die Straftaten statistisch erfasst, die bei der Polizei gemeldet werden. Oft aber gibt es für die Opfer von Kriminalität Gründe, nicht zur Polizei zu gehen, z.B. bei Gewaltdelikten innerhalb der Familie. Scham und Abhängigkeit spielen hier eine wichtige Rolle. Was bleibt ist eine „Dunkelziffer“, die dann irgendwie geschätzt werden muss. Um den Raum für Spekulationen einzuschränken, fordern Kriminologen seit langem sogenannte „Opferbefragungen“ durchzuführen. Im Rahmen einer repräsentativen Studie sollen die Befragten angeben, ob Sie Opfer einer Straftat geworden sind und ob sie diese Tat angezeigt haben. Die amtlichen (Hellfeld-) Statistiken sind zur Messung des Ausmaßes, der Struktur und der Entwicklung von Kriminalität nur bedingt tauglich.

„Der Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten ist hier in der Rolle des Vermittlers. Wir wollen mit dem Workshop den offenen Dialog zwischen den Vertretern der Datenproduktion, der Wissenschaft und den politisch Verantwortlichen ermöglichen. Wir erhoffen uns pragmatische Lösungsvorschläge für die drängendsten Probleme und neue Impulse für Fortsetzung die Debatte, damit die Diskussion über Kriminalität in Deutschland künftig auf Basis verbesserter Daten geführt werden kann“, so Professor Gert G. Wagner, Vorsitzender des Rates für Sozial- und Wirtschaftsdaten.

Rat für Sozial- und Wirtschaftsdaten (RatSWD)
Sabine Kallwitz, Pressestelle
Email: skallwitz@ratswd.de