Corona-Preise an der Supermarktkasse und die Geldpolitik der EZB
Universität Hohenheim
Wissenschaftler der Uni Hohenheim warnen: statistischer Warenkorb bildet das aktuelle Konsumverhalten nicht mehr ab. Das könnte zu Fehlentscheidungen in der Geldpolitik führen. Zweite Erhebung des „Chili-con-Carne-Index“ zeigt steigende Teuerungsrate bei Lebensmitteln / Forscher befürchten Folgen einer zu expansiven Geldpolitik
- Discipline: Economy
- Research Method: Quantitative
- Research Design: Other data (e. g. web scraping, lab results)
- Collection Status: Results published, Closed data collection
Ziele der Studie
Trotz der aktuell sinkenden Inflationsrate steigen die Lebensmittel-Preise. Wie passt das zusammen? Dieser Frage sind die beiden Wirtschaftswissenschaftler Jan Swiatkowski und Marius Puke aus dem Team von Prof. Dr. Hans-Peter Burghof von der Universität Hohenheim in Stuttgart nachgegangen. Sie analysierten dazu die Preisentwicklung von ca. 30.000 Produkten auf den Internet-Seiten von großen Supermarktketten seit Februar 2020. Würde sich die Entwicklung der letzten 2,5 Monate bis zum Jahresende fortsetzen, ergäbe sich eine Preissteigerung von 3,8 %, während die EZB deutlich niedrigere Werte errechnet. Der speziell für die Untersuchung gebildete „Chili-Con-Carne-Index“ zeigt sogar eine noch deutlichere Preissteigerung. Einen Grund für die Diskrepanz sehen die Wissenschaftler in der Zusammensetzung des statistischen Warenkorbes, der nicht dem aktuellen Kaufverhalten entspricht. „Vor diesem Hintergrund muss die Frage erlaubt sein, ob die Entwicklung des Geldwertes tatsächlich einen so großen Spielraum für eine Erhöhung der Geldmenge zulässt, wie man bei der EZB glaubt,“ meinen die drei Wissenschaftler.
Doch durch die Corona-Krise hat sich das Verhalten der Menschen verändert: Bestimmte Produkte des privaten Bedarfs können gar nicht oder nur noch eingeschränkt erworben werden. Ausgaben für Kultur- und Sportveranstaltungen, Restaurants und Hotels entfallen in der Krise. Aufgrund der verstärkten Tätigkeit im Home-Office entstehen weniger Spritkosten. Die Konsumausgaben konzentrieren sich auf Lebensmittel, Drogerieartikel und andere Produkte des täglichen Bedarfs.
Vor diesem Hintergrund vermuteten die drei Wissenschaftler, dass sich die Preissteigerungsrate für Lebensmittel deutlich von der anhand des Warenkorbs ermittelten Inflationsrate unterscheidet. Denn „eine systematische Verzerrung des Index könnte eine fehlerhafte Geldpolitik auslösen“, so ihre Befürchtung. Über das gesamte Sortiment sind in den letzten 2,5 Monaten die Lebensmittel-Preise um rund 0,8 % gestiegen. Dies erscheint auf den ersten Blick nicht viel, setzt sich diese Entwicklung jedoch bis zum Jahresende fort, kommt man auf einen Wert von ca. 3,8 %.
Studiendesign/Umsetzung
Die Forscher analysierten die Entwicklung bei den täglich abgerufenen Preise im Online-Angebot von fünf europäischen Supermarktketten. In ihre Analyse flossen rund 500.000 Preise ein. Um die unterschiedliche Entwicklung zu veranschaulichen, haben die drei Wissenschaftler den „Chili-con-Carne-Index“ eingeführt. Dieses Gericht ist bei Studierenden besonders beliebt und kann leicht nachgekocht werden. In dem Warenkorb wurden ca. 70 Produkte zusammengestellt, die als Zutaten für die Herstellung dieses Gerichts Verwendung finden können. Der „Chili-con-Carne-Index“ zeigt, dass sich dieses Gericht seit Anfang Februar bereits um 6 % verteuert hat. Ausnahmsweise ist die vegetarische Variante des Gerichts von der Preissteigerung ähnlich stark betroffen, da Hackfleisch im Gegensatz zu den übrigen Zutaten mit knapp 3 % den geringsten Preisanstieg verzeichnet. Tomaten hingegen wurden um fast 23 % teurer.
Datenverfügbarkeit
Die Daten dieser Studie stehen bisher nicht zur offenen Nachnutzung zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich an die Ansprechperson des Projekts.