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Die Erhebung sozio-demographischer Variablen in großen deutschen Umfragen

Die Erhebung sozio-demographischer Variablen in großen deutschen Umfragen

Ein Überblick über Möglichkeiten und Herausforderungen der Harmonisierung

Publikationsdetails

Autoren:
Silke Schneider, Verena Ortmanns, Antonia Diaco, Sarah Müller
Veröffentlichungsdatum:
04.10.2022
Nummer:
2/2022
DOI:
https://doi.org/10.5281/zenodo.6810973
Zitationsvorschlag:
Schneider, S., Ortmanns, V., Diaco, A. & Müller, S. (2022). Die Erhebung sozio-demographischer Variablen in großen deutschen Umfragen. KonsortSWD Working Paper 2/2022. Mannheim. GESIS - Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.5281/zenodo.6810973

ABSTRACT
Alle personenbezogenen Umfragen erfassen grundlegende sozio-demographische Merkmale. Mit den Demographischen Standards (Hoffmeyer-Zlotnik, 1994; Hoffmeyer Zlotnik et al., 2010, 2016; Hoffmeyer- Zlotnik & Ehling, 1991) und ihrem Vorgänger, der „ZUMA-Standarddemographie“ (Pappi, 1979, Anhang A) liegen seit den 1970er Jahren in unregelmäßigen Abständen aktualisierte Empfehlungen zur Erhebung solcher zentraler sozio-demographischer Merkmale in deutschen Umfragen vor. Die letzte Version stammt aus dem Jahr 2016. Diese sog. „Standarditems“ werden (insbes. von kleineren Studien) regelmäßig eingesetzt. Hier, wie auch bei großen Umfrageprogramme werden sie aus verschiedenen Gründen oft angepasst. Anpassungen sind durch die Demographischen Standards auch explizit vorgesehen. Da jedoch keine eindeutigen Minimalanforderungen an Standarditems vorliegen fehlen dann meist Codieranweisungen, um die Daten in gemeinsame Standardvariablen zurückzuführen. Damit sind Vergleichbarkeit und Interoperabilität der Daten zwischen verschiedenen Umfragen aktuell begrenzt.
Die resultierenden Variablen müssen vor einer gemeinsamen Analyse verschiedener Datenquellen aufwändig vergleichbar gemacht, d.h. ex-post harmonisiert werden. Da dies mit jeder Datenerhebung von Neuem geschehen muss, wird es nur punktuell für konkrete Forschungsprojekte eingesetzt. Harmonisierte Daten bzw. die eingesetzten Harmonisierungsskripte gelten dabei selten als eigenständiges Ergebnis und stehen der Community oft nicht zur Verfügung. Damit besteht das Risiko, dass bei ähnlichen
Vorhaben doppelte Arbeit geleistet wird. Bei der Herleitung neuer Variablen leidet außerdem die Vergleichbarkeit, wenn sich die Herleitungen zwischen den Projekten unterscheiden. Zudem erschwert der Status Quo einen effektiven Überblick über die Forschungsliteratur und Meta-Analysen und damit eine Kumulation sozialwissenschaftlicher Forschungserkenntnisse. Das Teilprojekt „Facilitating the combination of research data through standardised and harmonised variables“ von KonsortSWD möchte Sekundäranalysen auf Basis mehrerer Studien vereinfachen, indem zentrale Variablen vorab harmonisiert werden. Die Harmonisierungsarbeit wird damit „upstream“, in
Richtung der Datenproduzierenden, verschoben. So können mehrere der identifizierten aktuellen Defizite aufgelöst werden. Für die ex-ante Harmonisierung ist entweder eine Standardisierung (d.h. Input-Harmonisierung) der Erhebungsinstrumente oder eine Festlegung von Standardvariablen (und nur studienspezifische Anpassung der Erhebungsinstrumente an diese Standardvariablen, die dann im Sinne einer ex-ante-Output- Harmonisierung nach der Erhebung in die Standardvariablen überführt werden) erforderlich. Standardisierung maximiert die Vergleichbarkeit der resultierenden Daten (wobei modusspezifische oder andere, erhebungstechnisch notwendige Anpassungen zu berücksichtigen sind) ebenso wie die Effizienz der Datenverarbeitung. Um eine Standardisierung zu erreichen ist allerdings ein höherer anfänglicher Koordinationsaufwand erforderlich. Gleichzeitig ist dieses Vorgehen bei Studien für die sozio-demographische
Merkmale Kernmerkmale sind, potenziell weniger erfolgsversprechend: Diese Studien haben
häufig höhere Anforderungen an die Differenziertheit der resultierenden Daten und erfassen soziodemographische Merkmale nicht am Ende ihres Fragebogens, sondern in den jeweils passenden thematischen Blöcken, wo sie z.T. eng mit vorangehenden und folgenden Fragebogenitems verflochten sind. Allein dadurch ergeben sich Unterschiede in der Ausgestaltung der Erhebungsinstrumente. Für solche Studien ist damit der Ansatz der ex-ante-Output-Harmonisierung mithilfe von Standardvariablen sinnvoller oder gar der einzige überhaupt gangbare Weg. Eine Voraussetzung für die Abschätzung der Potentiale von Standardisierung und ex-ante Output-Harmonisierung
im Bereich sozio-demographischer Variablen ist zunächst eine Übersicht darüber, wie ähnlich bzw. unterschiedlich große Umfragestudien in Deutschland sozio-demographische Merkmale überhaupt erheben. Dieser Bericht hat zum Ziel, einen Überblick über die Instrumentarien verschiedener Studien zu schaffen, und sie im Hinblick auf Ähnlichkeiten und Unterschiede zu bewerten. Dazu werden knapp 20 sozio-demographische Merkmale für acht große deutsche Umfragestudien1 analysiert und mit den Demographischen Standards verglichen. Die Ergebnisse wurden in fünf virtuellen Roundtable-Sessions mit Vertreterinnen und Vertretern der jeweiligen Studien diskutiert. Die zentralen Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Erfasste Merkmale und Indikatoren: Die betrachteten Umfragestudien erfassen weitgehend die gleichen sozio-demographischen Merkmale. Auch werden sie weitestgehend einheitlich konzeptualisiert, so dass auf der konzeptuellen Ebene meist Vergleichbarkeit gegeben ist. Damit ist eine Grundvoraussetzung für die Harmonisierung gegeben. Große Übereinstimmung findet sich auch in den gewählten empirischen Indikatoren für die verschiedenen Merkmale.